Geflüchtete Menschen können helfen, den Fachkräftemangel zu beheben, so hieß es 2015 immer wieder. Doch obwohl im Ruhrbistum mittlerweile 8.157 Flüchtlinge sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, arbeitet der Großteil bislang in Helferjobs, wie der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW zeigt. Mehr arbeitsmarktpolitische Förderung ist nötig, damit geflüchtete Menschen zu Fachkräften werden. Aber das wird durch rechtliche Regelungen erschwert.
Zum Internationalen Tag des Flüchtlings am 20. Juni bestätigt der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW den positiven Bundestrend: Auch im Ruhrbistum kommen immer mehr geflüchtete Menschen auf dem Arbeitsmarkt an. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter ihnen stieg zwischen September 2017 und September 2018 um durchschnittlich 65,8 % auf rund 8.150. Auch machen deutlich mehr Flüchtlinge eine Berufsausbildung. Im September vergangenen Jahres waren es gut 1.000. "Diese positive Entwicklung verdanken wir auch all den Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden der Träger und der Wohlfahrtsverbände, die mit großem Engagement bei der Integration in Arbeit und Ausbildung geholfen haben", betont Sabine Depew, Diözesan-Caritasdirektorin im Bistum Essen.
Allerdings ist der Weg in Job und Ausbildung für viele Flüchtlinge noch immer lang und beschwerlich. Die Freie Wohlfahrtspflege sieht sehr kritisch, dass die rechtlichen Regelungen zur Arbeits- und Ausbildungsförderung Geflüchteter nach wie vor sehr komplex und schwer durchschaubar sind. Das gerade verabschiedete Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz hätte den Zugang zu den dringend notwendigen Maßnahmen der Ausbildungsförderung und berufsbezogenen Deutschförderung für alle Geflüchteten erleichtern können. Doch die Regelungen sind nach Ansicht der Wohlfahrtsverbände unzureichend, weil sie zu viele Gruppen Geflüchteter von einzelnen Leistungen ausschließen. "Wer in Deutschland eine Arbeitserlaubnis erhält, muss auch sofort alle nötigen berufsvorbereitenden und ausbildungsfördernden Hilfen erhalten können", fordert Sabine Depew, Diözesan-Caritasdirektorin im Bistum Essen. "Schließlich sind sie der Schlüssel zu einer qualifizierten Tätigkeit."
In NRW sind derzeit zwei Drittel der Geflüchteten (67 Prozent) nur im Niedriglohnbereich beschäftigt, was auch mit der Art Beschäftigungsverhältnisse zusammenhängt. Im Ruhrbistum sind derzeit rund 50 Prozent in Helferjobs tätig, circa 17 Prozent in Leiharbeit. "Viele Flüchtlinge arbeiten deutlich unter ihren Möglichkeiten", beobachtet Sabine Depew. "Mit gezielter Sprachförderung, beruflicher Qualifizierung und einer erleichterten Anerkennung der im Ausland erworbenen Kompetenzen könnten wir deutlich mehr von ihnen als Fachkräfte gewinnen, die unsere Wirtschaft so dringend braucht."
Das gilt nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege ebenfalls für viele Flüchtlinge, die noch auf Sozialleistungen angewiesen sind. Die Zahl der Hartz IV-Empfänger aus den acht zuzugsstärksten Asylherkunftsländern außerhalb Europas ist im Ruhrbistum auf rund 38.000 im November 2018 gestiegen. Es komme, so Depew, jetzt darauf an, sie so schnell und gezielt wie möglich zu qualifizieren. "Nur so können wir verhindern, dass aus ihnen die Langzeitarbeitslosen von morgen werden."
Die Caritas im Ruhrbistum begrüßt, dass Flüchtlinge verstärkt in Maßnahmen zur Beruflichen Weiterbildung bzw. zur Berufswahl und Berufsausbildung gefördert werden. Im Dezember 2018 erhielten so über 1.450 Menschen Unterstützung bei ihrer beruflichen Orientierung und Qualifizierung. Doch das reicht aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege nicht. Zu oft stehen aufenthaltsrechtliche Regelungen einer nachhaltigen Integration Geflüchteter in Ausbildung und Arbeit in wirklich zukunftsorientierten Berufen entgegen. "Wenn wir mehr Fachkräfte statt Hilfsarbeiter wollen, müssen wir dafür die rechtlichen Weichen richtig stellen", so die Diözesan-Caritasdirektorin.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz.
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.