"Trinken Sie viel", mahnte Rositha Kalljeswski die 82-jährige Alberta Finger aus Bochum und reichte ihr einen Becher mit frischem Wasser an. Die freundliche Aufmunterung war nicht grundlos: Bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad waren die äußeren Rahmenbedingungen für die 1400 Teilnehmenden der Seniorenwallfahrt im Bistum Essen nicht gerade einfach. Am vergangenen Samstag waren die Gläubigen zum bereits 12. Mal zum Kloster Stiepel gekommen, um dort Gottesdienst zu feiern und das Sakrament der Krankensalbung zu empfangen. Das große Festzelt konnte die Masse an pflegebedürftigen Menschen und ihren hauptberuflichen und ehrenamtlichen Begleitungen kaum aufnehmen und auch die kleineren Seitenzelte waren bis auf den letzten Platz gefüllt, als das Essener Bergbauorchester zum Auftakt des Gottesdienstes spielte.
Jedem Haus ein Applaus
Zuvor hatte Zisterzienserfrater Ephraim mit Schwung und guter Laune die ankommenden Wallfahrer begrüßt: Einzeln rief er die 30 stationären Altenheime und ambulanten Dienste auf, die sich in diesem Jahr auf den Weg nach Stiepel gemacht hatten: Nach dem Motto "Jedem Haus ein Applaus" nannte er die einzelnen Einrichtungen beim Namen, die sich mit Beifall und lautem Rufen dafür bedankten. Dazwischen wurde kleine Liedrufe angestimmt oder Gebete gesprochen. "Ein tolle Einstimmung in den Tag", freute sich Gerd Herkenrath aus Duisburg über die frohe Atmosphäre vor dem Gottesdienst.
Der wurde von Weihbischof Wilhelm Zimmermann gehalten, der in diesem Jahr die Rolle des Hauptzelebranten erstmalig übernahm. Der Gottesdienst griff mit dem Titel "Suche Frieden" das Motto des diesjährigen Katholikentags auf, der vor wenigen Tagen in Münster zu Ende gegangen war. "Friede - ist das nicht ein zu oft gesprochenes Wort?", fragte er in seiner Predigt, um selbst darauf die Antwort zu geben: "Nein, denn der Friede ist nicht selbstverständlich." Er erinnerte daran, dass die Menschen in Deutschland nun seit knapp 75 Jahren in Frieden leben dürfen und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die die Anwesenden zum größten Teil noch selbst erlebt hatten, langsam verblassten. Dennoch: "Der Friede ist nicht selbstverständlich!" Vielmehr habe der Unfriede hier in Deutschland, aber auch weltweit wieder Einzug in die Köpfe vieler Menschen gehalten, die das Wohl und Wehe des eigenen Landes über das anderer stelle und damit Hass und Gewalt Vorschub leisteten. Eine Einschätzung des Weihbischofs, die bei den Gläubigen viel Zustimmung erfuhr.
Zimmermann schlug danach den Bogen über die weltpolitische Lage mit ihren zahllosen Krisen hinaus und nahm den Wallfahrtsort Stiepel in den Blick: "Viele von uns sind auch hierher gekommen, um einen Frieden mit unseren Krankheiten und Schwächen, mit der Last des Alltags und der Gebrechen zu schließen", sagte er und fügte hinzu: "Das alles können wir hier an diesem Ort abladen, der der Schmerzhaften Mutter von Stiepel geweiht ist." Fast 20 Priester unterstützen den Weihbischof bei der sich anschließenden Spendung der Krankensalbung, die den Teilnehmern in besonderer Weise wichtig und der eigentliche Anlass der Wallfahrt nach Stiepel ist. Zimmermann: "Es ist gut, dass die Menschen hier Trost und Hilfe erfahren können!"
Zufriedene Teilnehmer
"Ich komme gerne hierhin", sagt Margit Leuker aus Essen-Altendorf, für die die Fahrt zum Kloster am ersten Sonntag nach Pfingsten ein feststehender Termin im Kalender ist. "Es ist schön, dass auch für uns Ältere ein solche Großveranstaltung angeboten wird", ergänzt Rolf Tischler aus Bochum. Dies ist allerdings nur möglich, weil zahlreiche ehrenamtliche und hauptberufliche Kräfte ihre Freizeit zur Verfügung stellen und nahezu in einer Eins-zu-Eins -Betreuung Getränke und Essen anreichen, beim Toilettengang unterstützen und andere Hilfestellungen geben. "Bislang gelingt es uns ganz gut, immer wieder Menschen für diese wunderbare und sinnstiftende Aufgabe zu begeistern!", erklärt Meinolf Roth, Mitglied im "Stiepeler Kreis". Dieser Zusammenschluss von engagierten Führungskräften in der Altenpflege hatte 2006 die Idee zur Wallfahrt und führt sie seither jährlich in enger Abstimmung mit den Zisterziensern-Mönchen von Kloster Stiepel durch. Das bestens eingespielte Team koordinierte Anmeldungen und Busanfahrten reibungslos und sorgte damit für optimale Rahmenbedingungen der Veranstaltung, die mittlerweile zur größten ihrer Art in Deutschland avancierte.
Mit von der Partie sind schon seit etlichen Jahren junge Frauen und Männer, die derzeit an der Katholischen Schule für Pflegeberufe Essen ihre Ausbildung absolvieren: Mit Schwung und strahlendem Lächeln balancierten die zukünftigen Fachkräfte nach dem Gottesdienst Schüsseln mit Erbsensuppe durch die dichten Reihen der Gläubigen, die dankbar entgegen genommen wurden.
"Wir kommen wieder"
Nachdem die von der KFD-Gemeinschaft St. Marien gekochte Suppe verspeist war, hieß es Abschied nehmen: Die verschiedenen Busse fuhren vor und bester Stimmung, teilweise auch etwas geschafft, traten die Teilnehmer der Wallfahrt die Rückreise an: Erwin Halterstedt aus Essen drehte sich um, als sein Rollstuhl in den Bus geschoben wurde: "Bis nächstes Jahr - wir kommen wieder!" rief er den Menschen zu, die noch auf ihre Rückreise warteten. Es klang fast so, als sei es nicht nur ein Wunsch, sondern ein Versprechen! (Hubert Röser)