„Fit für den Alltag“
macht Kultur – Kultur macht fit für den Alltag
Das Musiktheater im Revier und die Caritas
beschritten ungewöhnliche Wege
Noch ist es nur das Modell
einer Bühne für das Musiktheater im Revier (
MiR
), das
die langzeitarbeitslosen Teilnehmer der Maßnahme „Fit für den Alltag“ gebaut
hatten. Doch vielleicht ist es in der Zukunft sogar einmal möglich, Bühnenelemente
für das
MiR
zu bauen.
Selbst wenn es nicht dazu
kommt, ist „Fit für den
Alltag“-Betreuer
Michael
Rieger von der Zusammenarbeit mit dem
MiR
begeistert.
Und nicht nur er. Auch die Teilnehmer ließen sich mehr und mehr vom
MiR
begeistern. „Angefangen hat es damit,
dass
wir das Musiktheater besucht und einen Blick hinter die
Kulissen geworfen haben. Requisite, Schreinerei und viele andere handwerkliche Bereiche,
die nötig sind, um ein Stück auf die Bühne zu bringen“, erzählt Michael Rieger.
Mit der Dramaturgin des
MiR
, Birgit Rost, wurde die
Idee entwickelt, ein komplettes Bühnenbild zu erarbeiten. Das Stück dazu war
schnell gefunden. Denn es lief gerade die Drei-Groschen-Oper von Bert Brecht an.
„Das politisch engagierte Stück löste etwas aus, fand eine Resonanz in der
Situation der Arbeitslosigkeit unserer Teilnehmer“, hat Gaby
Jansen-Rotthauwe
beobachtet. Sie ist die Leiterin der Maßnahme
„Fit für den Alltag“, die langzeitarbeitslosen Menschen hilft, ihren Alltag zu
strukturieren, Interessen weckt und eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen
will.
„Anfangs gab es starke
Vorbehalte und Berührungsängste mit der unbekannten Welt des Theaters, doch die
wichen einer wachsenden Begeisterung“, freut sich Gaby
Jansen-Rotthauwe
über die geweckte Lust am Theater.
Nachdem der Theaterpädagoge
des
MiR
, Sebastian Müller, die Dramaturgin Birgit
Rost sowie die Bühnenbildnerin Beata
Kornatowska
erläutert
hatten, wie ein Theaterbild entsteht, machten sich die Männer und Frauen von
„Fit für den Alltag“ an die Arbeit. Ausgestattet mit der Textfassung des
Stückes setzte man sich mit Fragen auseinander wie: Welchen Stellenwert hat
Geld in unserer Gesellschaft oder warum gibt es Schichten, „oben“ und „unten“.
Sie zeichneten Skizzen von Kostümen, entwarfen Bühnenbilder und Collagen von
szenischen Eindrücken. „So ist zum Beispiel die Idee geboren, die ganze Zeit
ein riesiges, goldenes Sofa auf der Bühne stehen zu lassen, auf dem die
Menschen sehr klein wirken. Eine Art Bühne auf der Bühne“, sagt Michael Rieger.
Oder ein riesiges Tor mit einem aufgemalten Herzen als Portal ins „Haus der
tausend Fantasien“ zur Bordellszene in dem Stück.
„Ein soziales Anliegen mit
Kultur zu verbinden war das Besondere unserer Zusammenarbeit“, sagt Sebastian
Müller. Doch im gleichen Atemzug betont er, dass Kultur kein Privileg, kein
Luxusgut ist und sein darf. „Kultur bereichert das Leben. Es erschließt neue
und andere Ausdrucksformen“, sagt er. Ihn freut, dass die Zusammenarbeit mit
Skizzen und dem Bau des Bühnenmodells ganz konkrete Ergebnisse hatte. Das sei
nicht die Regel.
Sebastian Müller musste neue
Ansätze finden, um sich mit den Teilnehmern von „Fit für den Alltag“ dem Stück
zu nähern. „Es gelang auch, weil die Drei-Groschen-Oper eine Vielzahl von
Ansatzpunkten bietet. Sei es die Musik oder die Vielzahl ganz unterschiedlicher
visueller Eindrücke.“
Menschen zwischen 21 und 56
Jahre alt, die nie zuvor im Theater waren, zum Teil keinen Schulabschluss
haben, seit Jahren arbeitslos sind, brachen aus ihrem Alltag, erschlossen sich
eine neue Welt. So wie Andrea Eggert. Seit 2004 ist die gelernte Verkäuferin
arbeitslos. Sie schrieb für die anderen Maßnahmeteilnehmer eine Zusammenfassung
des Stücks als gemeinsame Diskussionsgrundlage. Von ihrem Besuch im Theater war
sie begeistert: „Wir wussten ja nun, wie viel Arbeit darin steckt. Dann das
Stück selbst zu sehen, war einfach toll.“
Doch das sich der Darsteller
des
Mecki
Messer einen Vormittag Zeit nahm, um von
seinem Weg als Schauspieler zu berichten, beeindruckte die Maßnahme-Teilnehmer
noch mehr als das Theaterstück selbst. „Wann hat man schon mal die Gelegenheit,
mit einem Schauspieler über seine Arbeit zu reden?“, fragt Andrea Eggert.
Sechs Monate dauert bei „Fit
für den Alltag“ der Ausbruch aus der den Alltag prägenden Arbeitslosigkeit.
„Danach versuchen wir gemeinsam mit dem Integrationscenter für Arbeit
Gelsenkirchen (IAG), die Teilnehmer weiter zu vermitteln. Bei manchen klappt
es, bei anderen nicht“, räumt Gaby
Jansen-Rotthauwe
ein.
„Fit für den Alltag“ wird
weiterhin versuchen, Menschen, die drohen „abgehängt“ zu werden, unter die Arme
zu greifen. Das
MiR
, so versichert Sebastian Müller,
werde gerne wieder dabei sein: „Möglicherweise werden wir die
Drei-Groschen-Oper noch einmal auflegen. Dann könnten wir an der vorhandenen
Arbeit anknüpfen. Ein anderes spannendes Projekt ist die Internetoper. In der
virtuellen Welt kann sich jeder als Regisseur, Bühnenbildner oder Schauspieler
ausprobieren. Auch hier kann ich mir eine Kooperation gut vorstellen.“
Auch der stellvertretende
Leiter des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen (IAG), Dirk
Sußmann
, ist voll des Lobes für das Projekt. Kreative
Potenziale zu wecken, zu motivieren, gehöre zu den Zielen der Arbeit des IAG:
„Daher freue ich mich, dass die Maßnahme `Fit für den Alltag` auch im laufenden
Jahr gefördert wird.“
„Fit für den Alltag“ wird
durch die Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) gefördert.
Informationen zur Internetoper gibt es unter
www.internetoper.de
.
Ansprechpartner für die Medien ist Gaby
Jansen-Rotthauwe
, Telefon: 0209/ 95 71 46 26